Die Problematik
Trinkwasser ist die elementarste aller Ressourcen, doch weltweit stellt dessen Belastung mit toxischen Substanzen ein großes Problem dar. Insbesondere Schwermetalle gefährden die Gesundheit von Millionen Menschen. Diese Metalle kommen natürlicherweise in geringen Mengen in der Erdkruste vor. Durch Erosion oder menschliche Aktivitäten wie Bergbau und Landwirtschaft werden sie jedoch freigesetzt und können sich in Böden und Gewässern ansammeln. So ist das Grundwasser in vielen Regionen der Welt beispielsweise mit Arsen belastet. Besonders betroffen sind unter anderem Indien und Bangladesch. In Deutschland wird das Trinkwasser gerne als das sauberste der Welt bezeichnet, doch auch hier können Schwermetallbelastungen auftreten, beispielsweise wenn durch alte Rohrleitungen Blei abgesondert wird. Da diese letzten Meter meist nicht kontrolliert werden, bleiben derartige Verschmutzungen häufig unentdeckt.
Während einige Schwermetalle als Spurenelemente lebensnotwendig sind, führen andere schon in geringsten Konzentrationen zu gesundheitlichen Auswirkungen. In jedem Fall kann die Aufnahme größerer Mengen an Schwermetallen zu einer Vielzahl ernster Krankheiten wie Nervenschäden und Krebs bis hin zum Tod führen. Es ist daher essentiell, den Schwermetallgehalt von Wasser und Lebensmitteln zu kontrollieren. Um dies zu ermöglichen, ist eine einfache und preiswerte, aber zugleich sichere Analytik nötig. Da Laboruntersuchungen und konventionelle Testkits diesen Ansprüchen nicht genügen, haben wir uns entschieden, verschiedene Schwermetalle mit Hilfe eines Sensors auf Basis biologischer Mechanismen nachweisbar zu machen.
Eine zweite Problematik, mit der wir uns befasst haben, war dadurch motiviert, dass es in der Region zuletzt zu einer Häufung von Verbrechen kam, bei denen sogenannte K.O.-Tropfen eingesetzt wurden. Es handelt sich dabei um ein Gemisch verschiedener Substanzen, die das Opfer betäuben und somit wehrlos machen. Der Nachweis von K.O.-Tropfen ist bisher nur im Nachhinein im Labor möglich. Eine Möglichkeit, verdächtige Getränke schnell und einfach zu überprüfen besteht hingegen nicht. Wir wollten dies ändern, indem wir einen Sensor für K.O.-Tropfen entwickeln.
Der Nachweis
Viele Organismen besitzen Gene, die sie resistent gegen toxische Substanzen machen oder zur Nutzung bestimmter Nährstoffe befähigen. Diese Gene werden jedoch nur dann benötigt, wenn die betreffende Substanz tatsächlich vorhanden ist. Eine permanente Expression wäre eine unnötige Belastung für den Organismus. Daher haben sich in vielen Fällen Mechanismen herausgebildet, durch die die Anwesenheit der Substanz erkannt wird und daraufhin die benötigten Gene aktiviert werden. Ein klassisches Beispiel ist das lac-Operon, das in Bakterien für die Verstoffwechselung von Lactose verantwortlich ist. In Abwesenheit von Lactose bindet ein Repressorprotein vor den Genen an die DNA und verhindert so, dass diese abgelesen werden. Ist dagegen Lactose in den Bakterien vorhanden, bindet diese an den Repressor, woraufhin sich dieser von der DNA löst und damit die Gene zum Ablesen freigibt.
Ähnliche Systeme verleihen manchen Bakterien Resistenz gegen bestimmte Schwermetalle. So können viele Bakterien beispielsweise in Gegenwart von Arsen wachsen, da sie das Schwermetall mit einer Art Pumpe aus der Zelle heraustransportieren. Diese Pumpe wird jedoch nur dann gebildet, wenn ein spezifischer Repressor zuvor durch die Bindung von Arsen inaktiviert wurde.
Diese natürlichen Mechanismen lassen sich nutzen, um Sensoren zu konstruieren. Dafür werden die Gene, die natürlicherweise in Gegenwart einer bestimmten Substanz aktiviert werden, durch ein Reportergen ersetzt. Wenn dieses exprimiert wird, liefert es ein messbares Signal. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Farbveränderung oder ein Fluoreszenzsignal handeln.
Derartige Sensoren ermöglichen es, hochspezifisch geringste Mengen einer Substanz nachzuweisen. Darüber hinaus lassen sich Biosensoren kostengünstig produzieren und sind damit insbesondere für Entwicklungsländer sehr interessant.
Die Umsetzung
Obwohl bereits seit vielen Jahren an derartigen Biosensoren geforscht wird, sind sie bisher nicht im Alltag angekommen. Dies lässt sich damit erklären, dass Sensoren auf Basis lebender Mikroorganismen auch eine Reihe von Problemen mit sich bringen. Dabei handelt es sich zum einen um rechtliche Hürden und Sicherheitsfragen - da mit gentechnisch veränderten Organismen gearbeitet wird, muss deren Freisetzung in die Umwelt verhindert werden. Darüber hinaus sind die Sensoren häufig wenig anwenderfreundlich, da die Durchführung des Tests außerhalb eines Labors umständlich ist und die Zellen nur eingeschränkt lagerfähig sind. Um diese Probleme zu lösen und Biosensoren somit reif für den Alltag zu machen, haben wir zwei Systeme erprobt, die ohne lebende Zellen auskommen.
Unser erstes System basiert auf der in vitro Transkription und Translation, also der Proteinbiosynthese außerhalb lebender Organismen. Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass es möglich ist, diesen zentralen Prozess in einem Zellextrakt ablaufen zu lassen. Dafür werden Zellen aufgeschlossen und im Anschluss nur die benötigten Komponenten weiterverwendet. Nach Zugabe einer Energiequelle und weiterer Supplemente können in diesem Extrakt Proteine produziert werden. Dies ist beispielsweise dann vorteilhaft, wenn ein Protein hergestellt werden soll, das für lebende Zellen toxisch wäre.
Kürzlich wurde gezeigt, dass Zellextrakt durch Gefriertrocknung auf Papier für lange Zeit lagerfähig gemacht werden kann. Selbst nach einem Jahr bei Raumtemperatur konnten nach Zugabe von Wasser noch Proteine auf dem Papierstreifen gebildet werden. In unseren Augen ist dieses System damit sehr vielversprechend für die Entwicklung einfach handhabbarer Biosensoren.
Parallel haben wir ein zweites System erprobt, das mit isolierten Proteinen und DNA arbeitet. Dieses nutzt die Wechselwirkung zwischen Repressor und DNA, indem der Repressor auf einer Oberfläche immobilisiert wird und ein kleines DNA-Molekül mit seiner Erkennungssequenz bindet. Wenn nun eine Wasserprobe mit dem zum Repressor gehörenden Induktor zugegeben wird, gibt der Repressor die DNA frei und diese wird ausgewaschen. Durch Markierung der DNA, beispielsweise mit einem Fluoreszenzfarbstoff, lässt sich nachvollziehen, ob die Probe die nachzuweisende Substanz enthält oder nicht. Wenn das Signal verloren geht, signalisiert dies in diesem Fall somit die Anwesenheit der Substanz.
Die Vorteile dieses Systems liegen in seiner Einfachheit und somit potentiellen Robustheit. Zudem arbeitet es gänzlich zellfrei und ist daher auch aus Sicherheitsaspekten sehr interessant.
Der Teststreifen
Nach mehreren Monaten intensiver Laborarbeit konnten wir einen funktionierenden Teststreifen für Schwermetalle und K.O.-Tropfen präsentieren. Dieser Teststreifen arbeitet mit zellfreier Proteinsynthese in einem selbst hergestellten und optimierten Zellextrakt. Dieser Extrakt wird, inklusive eines Repressor- oder Aktivatorproteins und eines geeigneten DNA-Konstrukts, auf Filterpapier aufgebracht und gefriergetrocknet. Der Anwender muss nur seine Probe auf den Teststreifen aufbringen. Ist eine Verunreinung vorhanden, entsteht an einer bestimmten Position ein Fluoreszenzsignal.
Die Auswertung des Tests erfolgt mithilfe eines Smartphones. Wir konnten zeigen, dass sich das Fluoreszenzsignal mit geeigneten Filtern vor Blitz und Kamera sehr spezifisch detektieren lässt. Besonders einfach ist dies mit unserer 3D-gedruckten Box. Eine selbstprogrammierte App analysiert die Signale automatisch und zeigt dem Nutzer an, welche Substanzen vorhanden sind. Im folgenden Video wird diese Auswertung exemplarisch demonstriert:
[VIDEO EINBINDEN]