Thema
Exposé iGEM-Team Bielefeld 2012
Städtische und industrielle Abwässer enthalten eine Vielzahl von Schadstoffen, wie zum Beispiel Östrogene und Xeno-Östrogene, die schwere Störungen bei Mensch und Tier hervorrufen können. Klär- und Wasseraufbereitungsanlagen können die Schadstoffe nur unvollständig entfernen. Die Folgen der Exposition reichen von Fortpflanzungsstörungen und Verweiblichung bei Tieren bis zu erhöhtem Krebs- und Osteoporose-Risiko beim Menschen. Das iGEM-Team Bielefeld zielt auf die Entwicklung eines Systems zum Abbau der Östrogene und anderer Schadstoffe im Abwasser durch die Nutzung von immobilisierten Laccasen. Zudem soll das System auf weitere Möglichkeiten der industriellen Nutzung, etwa in der Papier- und Textilindustrie, erweiterbar sein und auch in der Bioremediation von verunreinigten Böden genutzt werden. Durch die Nutzung von Methoden der synthetischen Biologie können unterschiedlichste Laccasen standardisiert, preiswert und vergleichbar getestet sowie produziert werden.

Wasserentgiftung mit immobilisierten Enzymen
Das Ziel des iGEM-Teams aus Bielefeld ist die Entwicklung eines auf immobilisierten Laccasen basierenden Konzepts zur Reinigung von städtischen und industriellen Abwässern. Neben toxischen, aromatischen Verbindungen sollen insbesondere die in der Natur schwer abbaubaren, synthetischen Östrogene aus dem Abwasser abgereichert werden. Die Verbindungen können in natürlichen Gewässern zu Schädigungen der aquatisch lebenden Organismen führen und bei Menschen schwere Störungen hervorrufen. Dazu sollen die Gene verschiedener bakterieller und eukaryotischer Laccasen isoliert und in Escherichia coli und Pichia pastoris exprimiert werden. Die verwendeten Laccasen gehören zu der Enzymklasse der Multikupferoxidasen und katalysieren die Oxidation eines weiten Spektrums von aromatischen und phenolischen Verbindungen. Folgend werden die exprimierten Enzyme aufgereinigt und auf ihr Potential bezüglich des in vivo und in vitro Abbaus verschiedener Substanzen untersucht. Mögliche Substrate sind natürliche und synthetische Östrogene, Xeno-Östrogene, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und pharmazeutisch relevante aromatische Substanzen. Zugleich werden die Enzyme gezielt immobilisiert, um geeignete Matrices und Methoden für eine potentielle praktische Anwendung zu finden. Durch die Immobilisierung der Enzyme kann deren Stabilität erhöht und ihre Wiederverwendbarkeit gewährleistet werden. Da Laccasen sowohl zur aromatischen Ringspaltung als auch zur oxidativen Kupplung genutzt werden können, haben sie einen hohen praktischen Nutzen und können zur Reinigung der Abwässer von Krankenhäusern, in der Textil- und Papierindustrie, sowie in Kläranlagen genutzt werden. Zudem kann mithilfe von Laccasen das hochpolymere Lignin degradiert und für die Energiegewinnung nutzbar gemacht werden. Krebserregende und erbgutschädigende aromatische Kohlenwasserstoffe können ebenso wie Östrogene durch die Laccasen oxidiert und somit entgiftet werden. Die entstehenden Abbauprodukte werden durch Mikroorganismen verstoffwechselt und abgebaut. Laccasen sind zudem in der Lage Chlorphenole zu dehalogenieren und sind daher zur Sanierung und Renaturierung von mit Lindan und PCB (polychlorierte Biphenyle) belasteten Böden geeignet. Laccasen sind vielfältig einsetzbar und kommen in unterschiedlichsten Organismen vor. Durch die Nutzung der synthetischen Biologie können die Laccasen einheitlich zur Verwendung bereitgestellt, einfach modifiziert und vergleichend auf ihr Substratspektrum und ihre Aktivität untersucht werden. Die zuständigen Gene können in Form standardisierter DNA-Bausteine einfach in Modell- und Produktionsorganismen eingebracht und die Laccasen preiswert und optimiert produziert werden. Die Standardisierung ermöglicht zudem eine stete Erweiterbarkeit der Laccasen auf andere Anwendungsgebiete.

Östrogene, Xeno-Östrogene und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
Die Verschmutzung von Trink- und Abwasser sowie natürlichen Gewässern durch hormonaktive Substanzen nimmt stetig zu und kann von Kläranlagen nur unzureichend gefiltert werden. Besonders Östrogene und viele aromatische Kohlenwasserstoffe sind schwer zu entfernen. Durch die Verwendung synthetischer Östrogene an Stelle natürlicher Östrogene in hormonellen Kontrazeptiva wird der natürliche Hormonabbau verlangsamt und die Substanzen verbleiben länger im Wasser. Neben den synthetischen Östrogenen finden sich zudem Xeno-Östrogene in erhöhten Konzentrationen. Diese sind zu Hormonen strukturell ähnliche Substanzen, welche in der Kunststoffindustrie verwendet werden. Die Wirkung von hormonell aktiven Substanzen wie Östrogenen und Xeno-Östrogenen auf die Umwelt und den Menschen ist sehr komplex. Sie können bei Mensch und Tier zu verminderter Fertilität führen. Besonders bei aquatisch lebenden Organismen können schwere Fertilitätsstörungen auftreten, die bis zu einer Verweiblichung der Art und zur Zwitterbildung reichen. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Sie sind bioakkumulierend, toxisch und schwer abbaubar. Zahlreiche polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe wirken zudem kanzerogen, was die von ihnen ausgehende Gefahr für die Umwelt noch verdeutlicht. Synthetische Östrogene und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe gehören zu den Substanzen, die durch herkömmliche Abwasseraufreinigung nur unzureichend entfernt werden können. Gerade für diese Substanzen bieten sich enzymatische, auf synthetischer Biologie basierende, Lösungen an.
Literatur
Bourbonnais et al. (1995) Appl Environ Microbiol;61(5):1876-80.
Koschorreck et al. (2008) Arch Biochem Biophys;474(1):213-9.
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Wright-Walters et al. (2009) Proceedings of the 2007 National Conference on Environmental Science and Technology;103-113.
Youn et al. (1995) FEMS Microbiology Letters;132:183-188.
Projekte der Vorjahre
Detaillierte Beschreibungen der Projekte aus den Vorjahren finden sie auf:
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